Warum wir stolz auf Europa sein können

 

Lassen Sie uns darüber nachdenken, warum wir stolz sein dürfen auf Europa. Lassen Sie uns darüber sprechen, was die Welt Europa verdankt: Es sind die europäische Kultur und Zivilisation, die – jedenfalls in ihren Ursprüngen – auch heute noch die Welt prägen und ihr immer wieder Vorbilder sind.

 

Es gab und gibt natürlich viele Kulturen auf dieser Welt. Aber fast alle sind nach ihrer Blütezeit wieder versunken. Nur in zwei Regionen haben sich nachhaltige Hochkulturen entwickelt: in China und im Mittelmeerraum mit Europa. Denn auch die ehemaligen englischen Kolonien wie Nordamerika und Australien gründen originär auf europäischem Kulturgut.

 

Die Hochkultur China hat sich vor rund einem halben Jahrtausend aus dem Weltgeschehen verabschiedet, obwohl sie Europa schon vor drei Jahrtausenden vielfach weit voraus war: Im Regierungs-, Verwaltungs- und Ordnungssystem etwa und auch technologisch: Papier und Buchdruck, Schubkarre und Schießpulver, Porzellan und Magnetkompass waren in China weit früher im Gebrauch als in Europa. Der schottische Historiker Niall Ferguson hat vor einigen Jahren die Frage gestellt: „Wo hätte im Jahre 1411 das Weltwirtschaftsforum stattgefunden?“ Seine Antwort: in Nanjing, China. Das Reich der Mitte als Mittelpunkt der Welt.

 

Ende des 14. Jahrhunderts pflanzten die Chinesen in der Gegend von Nanjing 50 Millionen Bäume, um eine Hochseeflotte zu bauen. Ihre kaiserlichen Handelsschiffe fuhren bis nach Ostafrika – früher als die der Portugiesen. Riesige neunmastige Hochseedschunken gehörten dazu, bis zu 30 000 Mann umfasste diese Flotte. Erst ein knappes Jahrhundert später entdeckte Kolumbus mit gerade mal drei Karavellen und einer Besatzung von 90 Mann Amerika.

 

 

Zu dieser Zeit hatten die Herrscher Chinas schon das Interesse an der Seefahrt und am Einfluss auf die übrige Welt verloren. Sie zerstörten Anfang des 16. Jahrhunderts ihre Flotte, stellten den Bau großer Segler unter Strafe – und wandten sich radikal nach innen. China war sich selbst genug, isolierte sich – politisch, wirtschaftlich und kulturell – und verlor Einfluss auf die übrige Welt. Es waren Europäer – Portugiesen, Holländer und Briten zuerst -, die China Jahrhunderte später zwangen, seine Mauern zu öffnen. Vor dem Hintergrund des Aufstiegs Chinas und der Verschiebung der politischen und wirtschaftlichen Gewichte in den asiatisch-pazifischen Raum generell wird Chinas Einfluss erneut weiter zunehmen. Und dies zu beobachten wird sehr spannend sein.